· Musik · 5 minRead
Zwischen Wiegenlied und White Noise: Ehrliche Einblicke eines frischgebackenen Papas
Als Musiker dachte ich echt, das mit den Schlafliedern wird ein Kinderspiel - aber die ersten Wochen mit unserem kleinen Sonnenschein haben mich eines Besseren belehrt. Heute, acht Monate später, weiß ich: Ein schiefes Lied mit viel Liebe gesungen und der richtige Mix aus Körpernähe, White Noise und Geduld bringen mehr als jede noch so perfekt komponierte Einschlafmelodie.
Meine Frau hat’s schon früh geahnt. “Du und deine Musikerweisheiten”, hat sie immer gelacht, wenn ich wieder mal mit einer neuen Theorie ankam. Und wie so oft hatte sie Recht. Aber von vorn…
Das Baby schreit die ganze Nacht
Die ersten Nächte waren der blanke Horror. Unsere Kleine hat geschrien wie am Spieß, egal welches Wiegenlied ich angestimmt hab. Mozart? Pustekuchen. Brahms? Fehlanzeige. Meine eigenen Kompositionen? Noch schlimmer. Irgendwann sind wir dann mal zufällig mit ihr im Wohnzimmer eingepennt, sie lag auf meiner Brust, und ich hab einfach nur gebrummt - und schwups, war sie weg. Da hat’s bei mir endlich ‘klick’ gemacht: Es geht überhaupt nicht um perfekte Melodien oder tolle Arrangements. Es geht um Nähe. Um Wärme. Um Geborgenheit.
Wisst ihr, was richtig witzig ist? Als Vorbereitung des Vaterseins hab ich stundenlang zur harmonischen Struktur von Wiegenliedern recherchiert. Ganz wichtig war ich mir mit meinen Analysen von Tonarten und Rhythmen. Heute weiß ich: Ein schief gesummtes Lied mit Herzschlag-Begleitung schlägt jede noch so perfekt komponierte Einschlafmelodie.
Babies brauchen keine totale Stille
Apropos Herzschlag - neulich hab ich was Faszinierendes gelesen: Im Mutterleib ist es lauter als in ‘ner Cocktailbar! Kein Wunder also, dass absolute Stille für Babys eher befremdlich ist. Bei uns läuft jetzt immer ein bisschen Grundrauschen im Hintergrund. Meine Frau war erst skeptisch, aber seit wir den Trick mit dem Föhn entdeckt haben… Wahnsinn, wie gut das funktioniert! Natürlich nicht direkt nebens Bettchen - wir sind ja nicht bescheuert. Aber so aus’m Nebenzimmer, gedämpft… herrlich.
Das mit der körperlichen Nähe war für mich die größte Überraschung. Klar, theoretisch wusste ich das. Aber als ich das erste Mal mit unserer Maus im Tragetuch durch die Wohnung getanzt hab - das war echt magisch. Inzwischen haben wir ‘ne richtige kleine Abendroutine entwickelt. Meine Frau macht noch die letzte Mahlzeit, und dann übernehm ich die “Einschlafschicht”, wie wir es nennen.
Mein absoluter Geheimtipp ist übrigens eine Kombination aus Bewegung und Sound. Ich lauf mit der Kleinen durch die Wohnung - nicht schnell, eher so’n gemütliches Schaukeln - und summ dabei ganz tief. Das Verrückte ist: Es muss nicht mal ‘ne richtige Melodie sein. Manchmal ist es einfach nur ein tiefes Brummen, so um die 65 Hertz rum. Das vibriert dann in der Brust, und zusammen mit dem Herzschlag ergibt das so ‘ne Art natürliches Schlaflied.
Regenpfütze in der Playlist
Neulich hatte ich so’n richtig schönes Aha-Erlebnis. Es war wieder mal so eine dieser Nächte - ihr wisst schon, wenn gar nichts zu klappen scheint. Meine Frau war total erschöpft, ich auch am Ende meiner Kräfte. Und dann fing draußen ein Gewitter an. Erst hab ich mich geärgert, weil ich dachte “Na toll, jetzt wird sie erst recht wach.” Aber das Gegenteil passierte: Unser kleiner Wirbelwind wurde ganz ruhig, hörte dem Regen zu und war innerhalb von Minuten eingeschlafen. Seitdem haben wir ‘ne Regenpfütze in der Playlist - also als Geräusch natürlich.
Was mir auch erst nach ‘ner Weile klar geworden ist: Babys sind echt Gewohnheitstiere. Am Anfang hab ich jeden Abend was anderes probiert. Mal dies, mal das - ich wollte ja mein ganzes musikalisches Repertoire einbringen. Totaler Quatsch! Inzwischen haben wir unsere festen drei Lieder, die laufen jeden Abend in der gleichen Reihenfolge. Ist vielleicht nicht besonders kreativ, aber hey - es funktioniert!
Klassische Wiegenlieder funktionieren
Ein Wort zu den klassischen Wiegenliedern: “Der Mond ist aufgegangen” ist bei uns der absolute Renner. Nicht weil’s so kunstvoll ist, sondern weil’s einfach gut funktioniert. Die Melodie geht hauptsächlich nach unten, das beruhigt irgendwie. Und die vielen M- und N-Laute im Text sind wie eine sanfte Klangmassage. Manchmal vergesse ich zwar den Text in der dritten Strophe - aber das ist meiner Kleinen sowas von egal.
Apropos Text vergessen: Neulich nachts war ich so müde, dass ich “Der Mond ist aufgegangen” mit der Melodie von “Weißt du wieviel Sternlein stehen” vermischt habe. Meine Frau hat sich weggeschmissen vor Lachen. Aber wisst ihr was? Die Kleine hat seelenruhig weitergeschlafen. Das war wieder so ein Moment, wo ich gedacht hab: Mann, die Kleinen sind echt die besseren Lehrer.
Jedes Baby reagiert anders auf Musik
Was auch total spannend ist: Jedes Baby reagiert anders auf Musik. Bei der Kleinen von Freunden funktionieren heavy Metallballaden - kein Witz! Die schläft bei Metallica besser ein als bei jedem Wiegenlied. Da sieht man mal wieder: Es gibt keine Universallösung. Man muss seinen eigenen Weg finden.
Manchmal, wenn ich nachts mit unserer Maus durch die Wohnung tigere, denk ich mir: Wie haben das eigentlich unsere Eltern gemacht? Ohne Spotify, ohne White-Noise-Apps, ohne die ganzen modernen Hilfsmittel? Wahrscheinlich genau so - mit viel Liebe, Geduld und dem ein oder anderen schiefen Ton.
Entspannt bleiben ist alles
Nach acht Monaten Papa-Sein hab ich vor allem eines gelernt: Entspannt bleiben ist alles. Klar, leichter gesagt als getan, wenn man um drei Uhr nachts mit einem schreienden Baby auf dem Arm steht. Aber Stress überträgt sich sofort auf die Kleine. Wenn ich merke, dass ich zu verkrampft ans “Einschlafen” rangehe, mach ich erst mal ‘ne Minute die Augen zu und atme tief durch. Manchmal summt dann meine Frau uns beiden was vor - ja, ihr habt richtig gehört, manchmal braucht auch der Papa ein Schlaflied!
Was ich euch noch mit auf den Weg geben will: Seid nicht zu streng mit euch selbst. Es muss nicht immer perfekt sein. Ein schiefes Lied mit viel Liebe gesungen ist tausendmal besser als die perfekte Spotify-Playlist. Und wenn gar nichts mehr geht? Dann macht’s wie wir: Packt das Baby ins Tragetuch und tanzt einfach durchs Wohnzimmer. Musik an, Kopf aus, und einfach dem Moment vertrauen.
PS: Während ich diesen Text geschrieben habe, ist unsere Kleine übrigens zweimal aufgewacht. Einmal hat der Trick mit dem Brummen geklappt, einmal musste die Mama ran. Tja, so ist das eben - Theorie und Praxis…